Eingruppierung von Schulsekretärinnen

Der Balanceakt zwischen Schulleitung, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern – eine selbständige Leistung?

Office worker talking on phone

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat mit Urteil vom 15.05.2025 (10 Ca 10163/24) klargestellt, dass die Tätigkeit einer Schulsekretärin trotz großer Eigenständigkeit nicht das Tätigkeitsmerkmal der „selbständigen Leistungen“ im Sinne der Entgeltgruppe 7 TVöD-VKA erfüllt.

Die Klage einer seit 2014 beschäftigten Geschäftszimmerangestellten auf Höhergruppierung von EG 6 auf EG 7 wurde abgewiesen.

.

1. Der Begriff der selbständigen Leistungen

Selbständige Leistungen liegen - im Rahmen der vorausgesetzten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse - vor, wenn Beschäftigte hinsichtlich des einzuschlagenden Weges (Arbeitsmethoden, -gestaltung) und des zu findenden Arbeitsergebnisses einen eigenen Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum besitzen.

Das setzt voraus, dass das Aufgabengebiet der Beschäftigten eine gewisse Eigenständigkeit besitzt.

Bei alternativen Wegen müssen Beschäftigte entscheiden, welche Vorschrift in diesem Fall einschlägig ist und wie man sie anzuwenden hat; also müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • ein eigenständiger Aufgabenbereich,
  • eine gewisse Freiheit von Weisungen,
  • eine Entscheidungsbefugnis über Arbeitsmethoden, Weg und Ergebnis.

Von den Beschäftigten werden Abwägungsprozesse verlangt und Anforderungen an das Urteilsvermögen gestellt. Es müssen unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden, um zu einer Entscheidung kommen.

.

2. Tätigkeiten der Schulsekretärin

Die Klägerin war als Geschäftszimmerangestellte u. a. zuständig für:

  • Beratung und Auskünfte gegenüber Schüler:innen, Sorgeberechtigten, Lehrkräften, Ämtern und Behörden (z. B. BuT-Leistungen, Krankmeldungen, Schulanmeldungen, Klassenfahrten).
  • Beratung des schulischen Personals bei Urlaub, Krankmeldung, Reisekosten, Teilzeit/Altersteilzeit.
  • Pflege und Verwaltung von Datenbanken wie „MensaMax“, „LEP“, „Schülerverzeichnis“, „Webunits“, „it’s learning“.
  • Verwaltung der Ganztagsschüler inkl. Kontenführung in „MensaMax“, Versand von Zahlungserinnerungen und Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen.
  • Haushaltsüberwachung und Rechnungswesen, Unterstützung bei Schulprojekten, Organisation von Anmeldungen.
  • Erstellung und Anpassung von Formularen, Ausstellen von Bescheinigungen.
  • Vorbereitung von Ordnungsmaßnahmen bei Schulvermeidung, gelegentlich Aussprache von Hausverboten.

Der Arbeitgeber bewertete diese Stelle mit gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen (EG 6), lehnte jedoch eine Eingruppierung in EG 7 ab.

.

3. Die Entscheidung des Gerichts

Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven entschied gegen die Klägerin, denn es sah trotz hoher Eigenständigkeit keinen tariflich relevanten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Bei den Aufnahmeverfahren zur Ganztagsschule bereitete die Klägerin die Besprechungen vor, trug Informationen zusammen und brachte ihre Einschätzung ein; die eigentliche Entscheidung traf jedoch die Ganztagskoordinatorin bzw. die Schulleitung. Auch die Kontenverwaltung in „MensaMax“ ist durch eine detaillierte Dienstanweisung vorgeprägt, sodass für eigenständige Abwägungen kein Raum bleibt. Ratenzahlungen sind nach den Vorgaben grundsätzlich zu gewähren; die Höhe orientiert sich an der Leistungsfähigkeit der Eltern, ohne dass hierfür eine eigenständige, zwischen mehreren Lösungen abwägende Entscheidung der Klägerin erforderlich wäre. Gleiches gilt für Schulvermeidungsfälle: Die Klägerin sammelt die erforderlichen Informationen und bereitet die Anzeige vor, die Zuständigkeit für die Einleitung von Ordnungswidrigkeiten liegt aber beim pädagogischen Personal. Die umfangreichen Auskunfts- und Beratungstätigkeiten setzen zwar gründliche und vielseitige Fachkenntnisse voraus, erschöpfen sich jedoch in der Informationsweitergabe und führen nicht zu eigenverantwortlichen Sachentscheidungen. In der Haushaltsüberwachung überwacht die Klägerin Budgets und dokumentiert Buchungen; über die Mittelverwendung entscheidet die Schulleitung. Das Anpassen oder Erstellen von Formularen beschränkt sich im Wesentlichen auf formale Anpassungen bzw. auf die Nutzung vorhandener Muster und eröffnet keinen nennenswerten Beurteilungsspielraum. Schließlich kann die gelegentliche Aussprache eines Hausverbots den Ausschlag nicht geben, da diese Tätigkeit zeitlich marginal bleibt und den Arbeitsvorgang nicht prägt. Insgesamt handelt es sich um organisatorische und verwaltende Aufgaben, die zwar eigenständig ausgeführt werden, aber nicht die für „selbständige Leistungen“ erforderliche gedankliche Abwägung unterschiedlicher Handlungsoptionen verlangen; „eigenständig arbeiten“ ist damit nicht gleichbedeutend mit „selbständige Leistungen“ im Tarifsinne.

Das LAG Hamm hat am 10.08.2022 - Landesarbeitsgericht Hamm, 3 Sa 1592/21 ähnlich entschieden. In dieser Entscheidung war die Klägerin Leiterin des Schulsekretariats, unterstützte die Schulleitung in erheblichen Maße, trug Verantwortung für weitere Mitarbeiter:innen, war zuständig für Haushalts- und Kassenangelegenheiten inkl. Verwaltung des Schulbudgets, Überwachung der Haushaltsmittel, Jahresabschlüsse etc.. LAG Hamm betonte, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, inwiefern die Entscheidung über den Weg, das Ergebnis, die Ausgestaltung tatsächlich der Klägerin obliege – oft seien die Entscheidungen anderen Akteuren (Schulleitung, Koordinator:innen) vorbehalten. Allein aus Schlagwörtern wie Beratung, Vorbereitung, Vorarbeit und Anpassung seien die Entscheidungsspielräume nicht erkennbar.

Beide Urteile zeigen, wie schwer es für Beschäftigte ist, in Eingruppierungsstreitigkeiten das Vorliegen der Tätigkeitsmerkmale darzulegen und zu beweisen. Bezüglich der selbständigen Leistungen wird deutlich, dass viele Aufgaben, die nach außen „eigenständig“ wirken, von den Arbeitsgerichten nicht als „selbständige Leistungen“ im tarifrechtlichen Sinne bewertet werden, wenn Vorgaben existieren und Entscheidungen bzw. Verantwortung nicht wirklich übertragen sind.

(Artikel erstellt am 30.09.2025)

Unser Seminar zu diesem Thema

Eingruppierung und Stellenbeschreibungen im öffentlichen Dienst vom 09. - 11. Dezember 2025 (online)

.

Die Verfasserin

Ruiters WEB rund

RAin Britta Ruiters 
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin

.

Beratungs- und Trainingsschwerpunkte

  • Individualarbeitsrecht
  • Tarifrecht im öffentlichen Dienst und artverwandte TV
  • Beamtenrecht
  • Betriebsverfassungs-/Personalvertretungsrecht
  • Aktuelle Themen für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst
  • Reisekostenrecht
  • Lohnpfändung
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
  • Rechtliche Grundlagen der Personalauswahl

.

AdobeStock 353956998 accoglienteBleiben Sie immer up-to-date mit unserem Newsletter!